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#467496 Panikattacken Nachtrag (ot.kultur)

verfaßt von MaPa, 20.05.2024, 20:53:43

> Hallo MaPa,
>
> vielen Dank für Deinen Mut, hier Dein Leiden ausführlich zu schildern.
> Wir sehen, diese Probleme, dieses ganze Thema Angst + Panik durch PTBS, ist
> weder Einbildung noch eine Lappalie.
> Sonst wären weder Medikamente noch studierte Spezalisten zur Hilfe
> nötig.
> Es hat konkrete, somatische Einflüsse (körperliche) auf das Befinden der
> betroffenen Person, ganz massiv.

Ich finde das seelische Krankheiten zu sehr bagatellisiert werden und als Spinnerei abgetan werden.
Nur deswegen rede ich offen darüber um den Leuten in meinem Umfeld zu zeigen, seht her ich kanntet mich als ganz "normalen" Menschen und wusstet alle nichts von meinen Problemen.
Und nun wisst ihr es, und ich bin immer noch der selbe Mensch und kein Spinner.
> Wie Du richtig sagtest, waren die Auswirkungen bei meiner Frau anders
> verwurzelt und ausgeprägt. Sie hatte, vor allem durch einen traumatisch
> Vorfall in ihrer Kindheit und später nochmals in ihrer Jugend, Angst und
> Panik vor anderen Menschen, mussten gar nicht viele sein, zwei drei Leute

es ist echt erstaunlich was ein, für Außenstehende vielleicht harmlos wirkender Vorfall, für Auswirkungen auf dein gesamtes späteres Leben haben kann.

> an einer Supermarktkasse um sie herum reichte für Atemnot und
> Schweißausbrüche.
> Das führte dazu, dass sie vor vielen Jahren überhaupt nicht mehr die
> Wohnung verliess, nur für absolut notwendige Gänge (Arzt o.ä.) und
> selbst da bat sie oft um Hausbesuch. Lebensmittel brachte ihr die Familie,
> alles andere bestellte sie nur noch online. Hauptsache bloß nicht unter
> andere Menschen.
> Ich kannte sie zwar über 15 Jahre aber die erste Zeit nur vom Telefon. Es
> hat Jahre gedauert, bis sie sich zu einem Treffen mit mir traute und zu dem
> brachte sie auch ihren damaligen (Riesen)Hund, einen Dobermann, mit. Der
> war fast größer als sie selbst  :-)

So, schön , das du so unfassbar lange Geduld gezeigt hast und es am Ende dann auch noch mit euch beiden geklappt hat.
> Auch hatte sie beim Autofahren große Angst, vor allem auf der Autobahn
> oder wenn uns im Auto ein anderes Fahrzeug zu nahe kam.
> Da war sie manchmal so schockiert, dass sie sich übergeben musste.
> Ich bin und war noch nie ein riskanter Fahrer, Autobahn immer so
> 90-100km/h, immer ausreichend Sicherheitsabstände aber für sie musste ich
> nochmals die vorausschauende Fahrweise mit Abstand usw. verdoppeln, sonst
> drehte sie durch.

Oh das kenn ich
>
> Natürlich war sie diesbezüglich in Therapie bei Neurologin und ob ihrer
> Alpträume und Alltagsprobleme auch beim Psychologen.

Witzig das häufig gedacht wird: "hey sie/er hatte ne Therapie 2 Jahre lang, jetzt muss doch auch mal gut sein und sie/er gesund sein:"
Vergessen wird das das Trauma, welches einen zu bestimmten Handlungen leitet, durch eine Therapie nicht verschwindet, sondern das man lernt damit umzugehen. Und deswegen gibt es eben gute Phasen, wo man gut damit umgehen kann, und schlechte Phasen, oder ein kleiner Auslöser, wo man dann überhaupt nicht damit umgehen kann und alles Erlernte im Moment vergessen hat.
> Trotzdem hat es sehr lange gedauert, bis wir zusammen ganz langsam und
> vorsichtig gegen diese Ängste arbeiten konnten. Behutsam mal mit ihr um
> den Block spazieren an meinem Arm, und irgendwann, da war ich super stolz
> auf meine Kleine, sie sagte: "Heute möchte ich mal mit in den Edeka, aber
> nur in den kleinen. Und ich muß den Einkaufswagen nehmen als
> Schutzbarriere, lass uns das mal probieren."
> Auch haben wir es tatsächlich geschafft, als ich noch in Köln wohnte und
> sie dort zur Physio-Therapie ging, ich sie die ersten Male immer da hin
> begleitete, sie aber eines Tages sagte: "Heute möchte ich alleine gehen.
> Bleib am Handy, wenn ich Panik kriege musst Du schnell kommen."
> Sie hat es nach und nach geschafft. Alleine hin, alleine zurück.
> Am Anfang musste ich sie zwar noch abholen, da war ihr der Menschentrubel
> in der Kölner City nach der Therapie zu viel und sie wusste nicht mehr vor
> Angst, wie der Rückweg war aber auch das hat sie nach und nach geschafft.
> Ausserdem bin ich ihr öfters heimlich hinterher und wartete vor der
> Therapiepraxis, für den Fall, dass doch was passiert.
> Bezüglich ihres mentalen Zustands gab es also durch Therapie, Reha,
> alltägliche gemeinsame Übungen/Gänge und auch durch den Hund, so peu a
> peu immer weitere Verbesserungen.
> Im Auto war sie viel ruhiger usw., kam öfters in den Edeka mit, ging sogar
> ab und an rauf zu den Nachbarn.

Es ist so herz erwärmend zu lesen wie geduldig du mit ihr warst, und wie toll sie an sich gearbeitet hat. um so trauriger ist es zu lesen was zum Schluß passierte.
> Tja, aber dann kam gegen Ende der Corona-Pandemie eine diesbezügliche
> Infektion und irgendwie brach dadurch leider wieder ihre Gehirnerkrankung
> akut aus und wir mussten sie schweren Herzens gehen lassen.

Fühl dich von mir ganz lieb umarmt und getröstet
>
> Ich bedanke mich nochmals für Deinen Mut, das alles hier vor uns
> auszubreiten, so etwas ist beachtlich und keine Selbstverständlichkeit.
> Für Deinen weiteren Heilungs- bzw. Bewältigungsprozeß wünsche ich
> weiterhin gute Fortschritte!

Vielen lieben Dank
Netter Gruß von MaPa

--
“Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.““
-Martin Luther King-

 

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