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#470266 Freiheit für die Muttersprache! (ot.haushalt)

verfaßt von RoyMurphy, Tübingen, 06.10.2024, 18:10:18

> > > Freiheit für die Muttersprache!

> Damit will ich sagen, dass Sprache nichts Statisches ist, sondern sich
> immer weiterentwickelt. Diese Freiheit ist sozusagen der Sprache immanent.
> Ich meine damit auch kein libertäres freies Wuchern von Sprache,
> sondern eine geordnete Entwicklung in einer gewissen Sprachfreiheit.

Diese "Weiterentwicklung" kenne ich als Deutschlehrer auf Lebenszeit aus schmerzlicher Erfahrung!
- Einerseits die Spaltung in Umgangs-, Literatur-, Fach- und Jugendsprache.
- Andererseits die total verrückte, da mehrfach in kurzen Zeitabständen verbrochene "Rächdschraibrevorm", die "uns Deutsch Lehrende" mit zusätzlichen pädagogischen Verpflichtungen belegte, nämlich zu erklären: "Was du gestern recht geschrieben hättest, gilt neuerdings als Fehler beim Diktat!" Vor allem "das" oder "dass"?
Es gab zwar eine Toleranzzeit, in der korrekte Schreibweisen alt/neu kein Fehler waren, aber dann kam schon wieder ein "Update", was viele Schülerinnen und Schüler nur verwirrte und das Sprachgefühl bisher sicherer Rechtschreibender - auch das aller Lehrender - verwirrte und z.T. zu Trotzreaktionen führte:
Wie bei dem Bauern, der vor einem Gefälle zwischen Hof und Acker stets anhielt, um am Fuhrwerk die "Migge" (den Bremsbalken) festkurbelte, um das Pferd bergab zu schonen. Eines Tages wurde die Anhöhe abgetragen und durch einen Geländeeinschnitt ersetzt. Da beobachtete ein Wanderer, wie das Gespann inmitten des Hohlwegs anhielt, der Bauer die "Migge" anlegte und anschließend das Pferd mit Peitschenknallen zur Höchstleistung auf der nun doch ebenen Strecke antrieb.
Der Wanderer: "Warum machen Sie das?" - Der Bauer: "Ha, dâ hât mei Großvaddr g'migget, do hât mei Vaddr g'migget, ond deshalb migg i dâ au!"

Und keine Bagatelle waren die immensen Kosten für die Neu-und Folgeausgaben des Duden oder des Wahrig - und ich hatte als Lernmittelverwalter diesen Posten für den Schuletat zu begründen, weil es noch keine PC-Ausstattung und damit auch keine Online-Lexika/Wörterbücher für Schulen gab.

Klar war allen, dass alte Schriften, z.B. aus dem Mittelalter, andere Schreibweisen und Syntaxregeln aufweisen. Dass es aber im Vergleich mit der neuen Rechtschreibung zu Augenkrämpfen kam, wenn die Literatur des 20. Jahrhunderts gelesen wurde, war auf die unlogische Reform durch sog. Fachleute (=> Linguisten: "Sprachwissenschaftler") unter Einmischung geltungssüchtiger Politisierender bzw. durch den Versuch der Harmonisierung mit anderen deutschsprachigen Staaten zurückzuführen - und so entwickelte sich die Pseudo-Legasthenie bei Lernenden und Anwendenden unaufhaltsam weiter.
Ist es da arrogant zu klagen, dass die Lehrbeauftragten (Lehrkräfte) am Schauplatz des Rechtschreibenlernens zu keiner Zeit zu ihren Erkenntnissen und möglichen Erleichterungen bei der Schriftsprache befragt oder Vertreter zu den "Arbeitsessen" der Rechtschreibkommissionen eingeladen wurden?

Hier eine Zusammenfassung der "Highlights" der Rechtschreibreform vor 25 (aktuell 26) Jahren:

Was nach 25 Jahren Rechtschreibreform geblieben ist

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Vernetzte Treffgrüße ausTübingen
Reinhard
[image]
Historisches Stadtwappen.
Das amtliche Wappen für
den Schriftverkehr kann man
in der Pfeife rauchen, es erspart
halt die Kosten für den Farbdruck.

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Notiz:
Ich verwende auf dieser Website allein aus Gründen
des Leseflusses das generische Maskulinum (oder "-ende")
und lege Wert darauf, dass alle Inhalte genderunabhängig
zu verstehen sind.

 

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