Hallo Leuds,

ich habe mir mal das Wahlprogramm 2017 der FDP vorgeknöpft und überflogen bzw. für mich interessantere Stellen auch gelesen.

Siehe: https://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2017/03/31/170330-entwurf-bundestagswahlprogramm-fdp.pdf

Mein Kurzeindruck:

1. Bildung und Studium: Klingt ganz vernünftig und auch umsetzbar. Bis auf die Bildungsgutscheine Schulsysteme. Wer die nicht versteht, kann sein Kind nicht vernünftig fördern. Mehr Bürokratie, mehr Kosten, weniger Geld für öffentliche Schulen, die m.E. wieder ein Normzustand für gute Bildung werden sollten?

2. Bahn und Verkehr: Bezüglich Bahn ziemlich unbrauchbar. Verkehr - Digitalisierung und Autonomes Fahren reicht nicht. Wer kann sich das auch binnen 10 Jahren jeweils LEISTEN?

3. Land- und Forstwirtschaft: Scheint mir nur Blabla. Da Gute davon eher nicht umsetzbar.

4. Artenschutz: Ablehnung von Angelverbotszonen Nord- und Ostsee - schlechte Idee. Das weiß man doch aus Modellprojekten, dass das das Einzige ist, was funktioniert. Z.B. Projekt in der Karibik, jeweils ein Drittel Wasserfläche für Fischerei, Tourismus und Ruhezone.

5. Heimtierhaltung: Ablehnung von Verboten bestimmter Arten. Geht gar nicht.

6. Betriebliche Altersvorsorge: Mitnahme bei Wechsel nur bei Unternehmen, die Tarifvertrag unterliegen. Das ist eine Verbesserung. Sollte aber für alle Unternehmen gelten, denke ich.

7. Zeitarbeit. Das sieht doch wieder nach Abbau von Rechten für Arbeitnehmer aus. Ob Zeitarbeit oder Subunternehmer - hier füttert der Arbeitnehmer eine zusätzliche Verwaltungsebene durch. OK, auch das sind Arbeitsplätze. Ich wäre eher für ein stufenweises Verbot der Zeitarbeit bei gleichzeitig erweiterten Probezeiten und einfacheren und faireren Bedingungen der Kündigung. Das Geld für Kündigungsschutzklage und ggf. Abfindung kann man dem Arbeitnehmer doch gleich anbieten.

8. Bürgergeld: Die Idden gehen in die richtige Richtung. Ein ALG2-Empfänger, der sich mehr und mehr dazuverdienen darf, wird eher arbeiten wollen, als jemand, der bei mehr Arbeit bis hin zur Vollzeit kaum mehr Geld verdient.

9. Reform SGB: Nette Idee, die zu verschlanken. Realistisch ist das ebensowenig wie beim Steuerrecht. Hier zieht jede Änderung drei Weitere nach sich, die wieder Ballast erzeugen.

9. Einwanderungsrecht und Verwandtes: Vernünftige und umsetzbare Ideen.

10. Förderung von Frauen im Beruf, aber keine Quotenfrau: Sehe ich auch so.

11. Datenschutz: Daumen hoch.

12. Bargeld erhalten: Richtig so, die Macht der global Winner würde sonst unbegrenzt.

13. Innere Sicherheitspolitik: War mir zu lang. Muss man eh sehen, was dann umsetzbar ist.

14. Moderne Arbeitswelt: Nette Ideen. Kann man bei weiter (!) zunehmender Fluktuation und Kurzfristigkeit und Leiharbeit aber alles vergessen, das ist Augenwischerei.

15. Gesundheitreformen im weitesten Sinne: Nette Ideen. Es wird nichts ändern daran, dass Krankheit und Behandlung bezahlt wird und nicht Gesundheit und Heilung. Provokante Ansicht? Zweifler zählen gerne nach, wo und wie oft das Wort "Heilung" in der GOÄ auftaucht. Diese ist nicht abrechenbar.

Einschub OT: Ich würde doch auch nicht für die Behandlung meines Kfz in der Werkstatt bezahlen, wenn es hinterher genauso kaputt oder noch kaputter wäre und mir der Meister außer einem: "Das ist eben so, Ihr Auto ist ein komplexes System!" nichts zu sagen hätte.

16. Ehe für Alle: Nettes Aushängeschild. Mich interessiert es wenig, da es doch die eingetragene Lebenspartnerschaft schon gibt. Eine kirchliche Trauung dürfen die Kirchen doch schon anieten, seit Homosexualität nicht mehr strafbar ist in Deutschland.

17. Klare "Ablehnung von Homo- und Transphobie sowie Rassismus": Daumen hoch. Leider wenig Konkretes zur Reduktion von Diskriminationen.

18. Mehr Geld für internationale Militäreinsätze: Das schafft Umsätze und Arbeitsplätze. Ansonsten Daumen runter!!!

19. Klare Worte zu Türkei und EU-Beitritt: Daumen hoch. Zur Zeit macht die Fortsetzung dieser Idee keinerlei Sinn mehr.

20. Internationale Abrüstung: Nette Idee. Vermehrte internationale Militäreinsätze bestreitet die Bundeswehr dann mit dem Abwurf von Flugblättern, CARE-Paketen und Lehrbüchern (Stärkung der Bildung) in Landessprache? *ironieoff* -> Augenwischerei.

21. Internationale Datensicherheit: Sehr gut, sich das auf die Fahne zu schreiben, Daumen hoch.

22. Europa und Menschenrechte: Nur überflogen, scheint mir alles diskutabel.

(Die Seiten 63 bis 83 habe ich quasi übersprungen, scheint alles einigermaßen unschädlich und veilleicht sogar richtig und vernünftig. Bin leicht eingeschlafen.

23. Aufgewacht! Zitat: "Beendigung der Niedrigzinspolitik der EZB", weiter "Der Grund für die Niedrigzinspolitik liegt vor allem am niedrigen Wachstum in der EU, das auf die massive Reformabstinenz in Europa zurückzuführen ist."

Entweder hat die FDP die Geldmühlen der Global Player nicht verstanden. Das ist denkbar und disqualifiziert sie als Regierungspartei. Oder sie haben die Auswirkungen dieser Forderung nicht verstanden. Das ist ebenso denkbar und disqualifiziert sie als Regierungspartei.

Ich hätte auch gern höhere Zinsen für mein Geld. Das bremst aber jegliches Wachstum aus.

24. Energiewende: Viele Parolen, fürchte ich. Wenig Substanz, fürchte ich. Umsetzbarkeit oft gegen Null, insbesondere wenn Energiekonzerne Kosten tragen sollen.

25. Vereinfachung des Staats- und Behördenwesens gegenüber dem Bürger durch Digitalisierung: Nette Idee. Ich halte ein Bürgerbüro, dass Bürgeranliegen in den PC der Gemeinde oder des Landes- oder Staatswesen bringt, aber für unabdingbar. Sonst ist bald nur noch vollwerttiger Bürger, wer das über Apps steuern kann.

26. Wohnungsbau: Klingt gut. Aber vermutlich haben wir schon genug Leerstände und private Vermieter schöpfen ihr Potential nicht aus, weil man heuzutage dank Gesetzgebung und Urteile als privater Vermieter mal eben fünftstellige Beträge über haben muss, wenn es "schief" geht. Hier werden die Ursachen konsequnt ignoriert. Ein privater Vermieter sollte den Mietausfall bis zur Räumungsklage wegen fehlender Mietzahlungen ersetzt bekommen, ebenso die Räumungsklage und etwaige Schäden an der Mietsache, gegen die er sich nur bedingt versichern kann.

Beim Thema Arbeit fehlt mir die Anhebung und Ausweitung von Mindestlöhnen und die Zurückdrängung von Zeitarbeit. Oder die Durchsetzung von wirklich echtem (!) Equal-Pay in allen Bereichen. Zum Thema Bildung und Studium sehe ich die FDP als wählbar. In anderen Punkten als diskutabel, in anderen Punkten als verpeilt. Oder Wolf im Schafspelz. Die FDP ist und bleibt keine Bürgerpartei und wird es m.E. nie werden. Sie ist eine wirtschaftsnahe Partei. Die "Ehe für alle!" halte ich für eine politische Blendgranate, mit der Parteien auf Stimmenfang gehen wollen. EIN wichtiges Thema. Es gibt aber mehr davon mit weitreichenderer Bedeutung.

Ein Fazit ziehe ich noch nicht, vielleicht knöpfe ich mir nächsten Sonntag das Programm von SPD oder Grünen vor. So denn das Wetter wieder so schlecht ist ...

Vielleicht sollte man Wahlprogramme auch begrenzen. Hat jede Partei ca. 100 Seiten, wovon ich halbwegs ausgehe (?), so hätte man bei ca. 5 ernsthaft in Frage kommenden Parteien mal eben 500 Seiten zu bewältigen. Und ich bin Schnell- und Diagonalleser.

Gruß,
Zack